Leistung mit Leidenschaft
Impuls-Streckensegelfliegen in Finsterwalde

 

Im Mai 2018 fanden unter der Leitung von Ulf Bartkowiak zwei 10-tägige Lehrgänge „Impuls Streckensegelfliegen" am Flugplatz Finsterwalde-Heinrichsruh statt (siehe auch Berichte aus den Vorjahren im Lilienthaler 3/2016 und 3/2017). Die Lehrgänge sind inzwischen gelebte Tradition. Der für den Frühling des kommenden Jahres geplante Lehrgang wird der zehnte und damit ein ganz besonderer sein. Lehrgänge 2019: 08. Mai bis 18. Mai und 22. Mai bis 01. Juni. Weitere Informationen unter: www.impulsstreckensegelfliegen.de.

Die Lehrgänge richten sich an Piloten, die sich im Streckenflug verbessern möchten oder den Einstieg in den Wettbewerbssegelflug suchen. Beim ersten Lehrgang mit seinen 12 Teilnehmern spielte das Wetter nicht immer recht mit. Nur an vier Tagen konnte geflogen werden. Anders der zweite Lehrgang. Ein dauerhaftes Hoch, ein Cocktail aus Heißluft gemischt mit dem richtigen Quentchen labilisierender Kaltluft, bescherte spitzenmäßige Thermik und damit die denkbar beste Voraussetzung für das Umsetzen unserer morgendlichen Mantra „oben bleiben, viel Geradeaus, beste Bärte, Absitzer vermeiden".

Jeder dieser Lehrgänge hat seine eigene Dynamik. Wenn zum Beispiel beim ersten Lehrgang alle Teilnehmer in bester Laune trotz des mehrfach nicht fliegbaren Wetters bis zum letzten Tag beieinander blieben, stellt sich die Frage, was diese Lehrgänge so besonders macht. Kurz gesagt, es ist das „Rundum-Sorglospaket", das es uns Teilnehmern gestattet, alle Aufmerksamkeit dem Lehrgang zu widmen. Es hat vier Pfeiler:

Der Flugplatz Finsterwalde- Heinrichsruh lässt sich wohl am besten mit dem Werbeslogan „quadratisch, praktisch, gut" beschreiben. Ein umzäuntes Quadrat mit Start und Landebahnen in alle wichtigen Richtungen, kurze Wege zu den zwei Hallen und zu dem multifunktionalen Vereinshaus des FSV Otto Lilienthal. Erst beim zweiten Blick fällt auf, dass überall eine sinnvolle Ordnung herrscht. Wer ein technisches Problem hat, braucht nur Wilfried Arlt zu fragen. Meist zaubert er sofort das benötigte Ersatzteil aus einer Schublade hervor und bringt auch gleich Lötkolben, Schraubstock oder Uhrmacherschraubenzieher mit, um das Super-Sonderteil fachkundig einzubauen. Nach drei Jahrzehnten Vereinsvorsitz und einem riesigen Pensum kluger Aufbauarbeit hat Wilfried den Staffelstab des Vereinsvorsitzes an Detlef Albinus weitergereicht. Uns als Vereinsgäste hat er in jeder erdenklichen Form unterstützt ohne dabei ein Wort zu viel zu verlieren.

Gesprächig wird er erst, wenn man ihn zu den Oldtimern anspricht, die die Hallenregale bis hinauf zum Dach füllen und von der Decke herabhängen. Dann leuchten seine Augen unter den buschigen Brauen. Sein Vorschlag, mit der flugfähigen SG38 eine Platzrunde zu drehen, war durchaus ernst gemeint. Unsere Begeisterung, so ganz frei auf dem Bock sitzend mit dem simpelsten aller Flugzeuge durch die Luft zu gleiten, ließ auf sich warten und die Gelegenheit verstrich ungenutzt. Unmittelbar an die Halle angelehnt der „Hoteltrakt" mit einem Dutzend komfortabler Gästezimmer. Auf dem Flur zu den Zimmern als Highlight das Panoramafenster mit Blick auf den Segelflugzeugpark des Vereins einschließlich der Oldtimer-Sammlung von SG38 bis Lommatzsch-Libelle. Ihm und seinem Vereinskollegen verdanken wir eine perfekte Umgebung für unseren Lehrgang, komfortable Unterkünften, schöne Schlepps und liebevolle Gästeunterstützung.

Juliane Bartkowiak ist der zweite Pfeiler unseres „Rundum-Sorglospakets".

Zusammen mit Ihrem Mann/unserem Trainer Ulf praktiziert sie den Teamflug am Boden zur Perfektion. Jeder hat seinen Verantwortungsbereich, ist sein eigener Chef und beide ergänzen sich wunderbar. Beim Lehrgang ist Juliane Küchenchef, Einkäufer, Helfer am Start und begleitender Engel in einer Person. Mit einem weiteren Mitglied der Bodencrew wuppt sie ein zugleich deftiges und gesundes Frühstück für alle Teilnehmer, Partner und Helfer. Werden an einem Tag kürzere Strecken geflogen, erwartet die Rückkehrer Kaffee und Kuchen. Und abends ist für ein abwechslungsreiches Essen gesorgt, das uns ausreichend für die abendlichen Theoriestunden revitalisiert. Jeder Teilnehmer trägt nach besten Kräften zum Gelingen des Lehrgangs bei, ob mit eigenen Vorträgen zu ausgewählten Streckenflugthemen oder mit den kleinen Hilfen vom Spargelschälen bis zum Beheizen des Warmwasser-Boilers. Sie machen aus dem Lehrgang ein geräuschlos funktionierendes Uhrwerk.

Dritter Pfeiler ist Ulf Bartkowiak – seit kurzem A-Trainer und neben seinen zahlreichen Segelflug-Unternehmungen gelegentlich auch zu Hause in Braunschweig. Ein alter Hase, dessen sportliche Begeisterung sich geradezu ansteckend auf uns Teilnehmer überträgt. Kurze Merksätze wie „gemeinsam, zusammen und miteinander" setzen die Grundstimmung am Boden und in der Luft und werden von uns allen gelebt. Geflogen wird in Zweier- und Dreier- Teams oder auch alleine, wenn das jemand bevorzugt. In die tägliche Flugvorbereitung bringt Ulf Übungsziele ein. Sie bilden die Brücke zwischen den Theoriestunden und der Praxis. Die meisten von uns haben bereits die einschlägige Fachliteratur von Reichmann über Eckey bis Brigliadori gelesen. Ulfs Anliegen ist es, unseren Zugriff auf diese vielfältigen Informationen zu verbessern, die wichtigen herauszufiltern, sie lebendig werden lassen und zu gruppieren. Anschließend werden sie zu kurzen Leitsätzen verdichtet, um sie präsent und abrufbar zu halten. Natürlich ist ein solcher Lehrgang viel zu kurz, um diese Aufgabe zu erfüllen, zumal der Schweiß erst beim Einüben neuer Verhaltensmuster fließt. Da hilft es enorm, von einem erfahrenen Trainer begleitet zu werden, der die Leidenschaft lebt und und uns vermittelt, wie sich ein lockeres Hobby zu Begeisterung steigert. Erst dann kommt der vierte Pfeiler zum Tragen:

Die sportlichen Elemente. Lernen findet am besten in einer strukturierten Umgebung statt. Für diese sorgt Ulf umsichtig. Schon die morgendliche Teambesprechung zeigt dies. Bei ihr geht es neben Wetter-und Aufgabenbriefing vor allem um das Festlegen individueller oder gemeinsamer Lernziele für die anschließenden Flüge. Abends dann der Rückblick und vertiefende Vorträge von Teilnehmern. Auch für Tage, an denen nur lokale Flüge möglich sind, hat Ulf eine strukturierte Lösung parat: Es gilt, das fliegbare Wetter so lang wie möglich auszunutzen, dabei innerhalb einer vorgegebenen Platzentfernung zu bleiben und so viele Höhengewinne wie möglich zu machen. Also den besten Bart finden, ihn rechtzeitig bei nachlassendem Steigen verlassen, Klappen raus, runter und den nächsten Lift zur Basis nehmen. Abends werden die Höhengewinne addiert und mit denen der anderen verglichen. Simpel und trotzdem geeignet zur Vermittlung einer Fülle von Lerninhalten wie zum Beispiel:

  •     die gezielte Auswahl der besten thermischen Quelle
  •     das Finden der dem Thermikmodell am besten zuzuordnenden Zentriermethode
  •     das Sicherstellen des konstanten Steigens über die Steighöhe
  •     die stete Beobachtung und rechtzeitige Auswahl des nächsten thermischen Steiggebietes während
        des Kreisens im aktuellen Bart
  •     das Berücksichtigen von Sicherheitsaspekten wie Einordnung in den Steigkreis Anderer, das Wahren der
        Sicherheitsabstände oder das Üben des Ausweichverhaltens bei höhengleichen Gegenkursen
  •     und schließlich das Vermeiden von Außenlandung und der sichere Endanflug zum Platz.

So wird aus einer einfachen Übung, die uns Helmut Reichmann in "Streckensegelflug" gezeigt hat, eine spannende Wettbewerbsaufgabe.

Meine besondere Aufmerksamkeit hatte bei dem Lehrgang das Thema „Teamflug“. Eine kleine Umfrage unter den Anwesenden ergab, dass an deren Heimatplätzen Teamflug eher ein Randthema ist. Einzig Lutz Ebert konnte dazu vom AC Pirna Interessantes berichten. In diesem großen Verein mit vielen Flugschülern nehmen erfahrene Piloten systematisch Scheinabsolventen ins Schlepptau und helfen ihnen, mit dem Streckenfliegen vertraut zu werden. Engen Teamflug auf Augenhöhe konnte ich bislang nur mit einem guten Freund aus Eggersdorf, Frank Borrmann, praktizieren. In der Vereins- oder auch der Wettbewerbsumgebung klappte das jedoch nicht. Deshalb war unser Team aus drei gestandenen Herren im besten Alter – man könnte auch sagen: Egomanen – der ideale Test für das Trainieren des engen Teamflugs.

Fazit: Die Neigung, doch eigene Wege zu gehen, lässt sich nur mit festem Willen und vorab getroffener Festlegungen unter Kontrolle bringen. Nach drei längeren gemeinsamen Flügen die Erkenntnis: „Gemeinsam waren wir besser als beim Alleinflug und mehr Spaß hat es auch gemacht.“ Das Sahnehäubchen nach dem Flug: Die 3D-Animation unserer Flugwege mit SeeYou. Sie zeigte wunderbar, wie wir uns nach dem Auffächern in der Blauthermik oder dem Absuchen großer Wolken immer wieder im besten Steigen zusammenfanden. Im nächsten Jahr werden wir gerne wieder dabei sein.

stefan maikowski