Ein Lehrgangsangebot im Breitensport für das mittlere Leistungsniveau
Dr.
Jonathan Karges
…unter dem Motto: „gemeinsam, zusammen und miteinander“.
Bereits zum fünften Mal fand vom 25. Mai bis 04. Juni [2016] das von Ulf Bartkowiak (Trainer B, Brandenburg) entwickelte, organisierte und geleitete Streckensegelflugtraining für das mittlere Leistungsniveau statt, erstmalig nun unter der von Ulf gegründeten privaten, ehrenamtlichen Initiative Impuls-Streckensegelfliegen.
Der Lehrgang fand zum dritten Mal bei der Flugsportvereinigung Otto Lilienthal e. V. auf dem Flugplatz Finsterwalde-Heinrichsruh im östlichen Brandenburg statt. Das Angebot ist bei der
Flugsportvereinigung bestens untergebracht: Ein hervorragend ausgestattetes Segelfluggelände bietet sämtliche Vorzüge für das Fliegerleben wie Küche, Aufenthaltsraum, Seminarraum (umgestaltete
Werkstatt), Unterkunftszimmer, Sanitäreinrichtungen, Hallenstellplätze und WLAN. Auch organisierten die Finsterwalderaner sämtliche erforderlichen Flugbetriebs-funktionen wie Flugleitung und
F-Schlepp (2 Wilgas) und halfen zusätzlich bei der Lösung des einen oder anderen flugzeugtechnischen Problems. Natürlich… Flugsportvereinigung und Impuls-Streckensegelfliegen haben eine souveräne Kontaktbasis.
Mit 12 Piloten auf 11 Flugzeugen der Standard-, 15-Meter, 18-Meter und Doppelsitzerklasse war der Lehrgang ausgebucht. Eine Warteliste wurde trotz sehr kurzfristiger Teilnehmerabsage dann nicht
mehr abgerufen. Juliane Bartkowiak und sechs weitere mit angereiste Helfer/-innen sorgten dafür, dass es den Piloten an nichts fehlte und das der Flugbetrieb immer mit im Vordergrund stehender
Sicherheit ablaufen konnte. Kurz um: Die Streckenflugpiloten konnten einen Rundum-Service genießen, der besser nicht hätte sein können und der es ihnen erlaubte, sich voll und ganz auf
Flugvorbereitung, die teambezogenen Trainingsziele, das darauf aufbauende Fliegen und das Durchdenken der Erlebnisse in den Nachbesprechungen zu konzentrieren.
Einige der Teilnehmer waren zum wiederholten Male dabei; sie kannten bereits Format und Ausrichtung des Lehrgangs. In der Tat war Lernen angesagt, in klarer Zielführung und in Selbstorganisation.
Diese Kombination wurde seit der Winterzeit mit Kurzinfos unterstützt, was die Vorfreude auf das Training stärkte: Und dann – im aktuellen Geschehen – eine entspannte Atmosphäre, aber doch
hochkonzentriert und zielgerichtet, so dass beste Resultate heraussprangen. Diese Art der Gestaltung ist ein pädagogisches und sportives Highlight.
Das Streckenflugtraining stand unter dem Motto „gemeinsam, zusammen und miteinander“. Es birgt einen Motivationspfad in sich, der seine Gestaltungskraft bis zum Lehrgangsende nicht einbüßte.
Sicherlich einzigartig an diesem Event ist, dass das Training für Streckenflugpiloten des mittleren Leistungsniveaus konzipiert war, ganz im Gegensatz zu den sonst üblichen Trainingsmaßnahmen,
die nur Kadermitgliedern oder zum Beispiel im Rahmen der Jugendförderung angeboten werden. Die Besonderheit des Trainings schätzend, brachte sich die Teilnehmergruppe ausnahmslos voll engagiert
und sich gegenseitig selbstlos unterstützend aktiv in den Trainingsprozess ein.
Theorie
Die Teilnehmer bereiteten bereits vor dem Event Referate vor (20 Min.), die im Vorfeld mit dem Lehrgangsleiter abgestimmt wurden – so z. B. Themen zur Optimierung des Streckensegelfluges, Themen zur Ernährung oder zu medizinischen Parametern der körperlichen Leistungsfähigkeit von Streckenflugpiloten. Dass die Wertschätzung der Natur eine besondere Aufmerksamkeit fand, tat uns allen gut. Neu war, dass Teilnehmer ihre Theorie auch über 2-3 Statements abdecken konnten (je 4-5 Min.). Meist waren sie zuerst aus der Streckenflugtheorie aufgebaut, hatten sodann aber immer einen pädagogischen, insbesondere einen psychologischen Zusatz. Interessante Diskussionen vertieften die Themen.
Der Lehrgangsleiter zeichnete verantwortlich für das tägliche Wetterbriefing, in dem er die Großwetterlage sowie die für unser Fluggebiet relevanten meteorologischen Daten herausstellte, interpretierte und darauf basierend, gemeinsam mit der Gruppe, die Flugaufgaben für die einzelnen Flugteams gestaltete. Ulf konfrontierte uns Teilnehmer mit Vorträgen, je nach Bedarf, wie sie zu unseren Flugaufgaben passten. Zuerst kurz zum Thema der „Exekutiven Hirnfunktion“, das bereits in diversen sportiven Bereichen etabliert ist. Es zielt darauf ab, den Segelflieger in die Lage zu versetzen, sein umfangreiches Wissen über den Streckensegelflug auch in jeder Situation eines Fluges schnell, sicher und zielgerichtet mit Handlungsenergie abrufen zu können. Weiterhin gab uns Ulf als Geologie-Fachmann wertvolle Einblicke in die Bedeutung der Landschaftsbauglieder von der Ostsee bis zum Erzgebirge und ihre Dominanz für thermische Auslöser bei bestimmten Wetterlagen. Einfach beeindruckend, wie uns diese Bauglieder ihre thermischen Qualitäten so traumhaft sicher für unseren Streckenflug zur Verfügung stellen – muss man einfach gehört haben!
Wetter
Das statistisch zu erwartende gute Streckenflugwetter im Zeitraum Ende Mai / Anfang Juni ließ uns in diesem Jahr leider gründlich im Stich. Wetterlagen mit einem Aufbau klassischer, antizyklonaler Druckkonstellationen und den Streckensegelflug begünstigenden Luftmassentransporten konnten sich nicht einstellen.
Die zweite Lehrgangshälfte war zudem geprägt von erheblichem Unwetterrisiko mit Starkregen, Hagel, Gewittern und extremer Böigkeit, bei vorhergesagten Frontaufzügen bereits im Nachmittagsbereich
und bis deutlich in die Lausitz hineinreichend.
Die mitunter stärker beeinträchtigten Einstrahlungsverhältnisse ließen dennoch Kumulierung zu, bei allerdings oft nur geringen adiabatischen Gradienten (0,5 – 0,6).
Kleinere, zeitlich und räumlich eingeschränkte Wetterfenster erlaubten an solchen Tagen den Streckensegelflug. Das waren durchweg schwierigere Streckenflugwetterlagen, aber auch ideal zum Lernen. Natürlich konnten wir uns glücklich schätzen, im Lehrgangszeitraum in der Lausitz und im östlichen Fläming immer noch die besten thermischen Segelflugbedingungen in ganz Deutschland vorgefunden zu haben.
Praxis
Soweit die Wetterfenster die Stellung konkreter Streckenaufgaben sinnvoll erscheinen ließen, wurde konsequent in Zweierteams und einem Dreierteam geflogen. Die Teams wurden nach Leistungsniveau,
teilweise Flugzeug-kompatibilität, aber auch nach Persönlichkeitsprofil der Piloten gestuft. Die Aufgaben für die Teams wurden individuell zugeschnitten; sie berücksichtigten neben der
teamspezifisch definierten übergreifenden Zielsetzung streckenflug-technische, sportive sowie emotionale Aspekte. Es galt, diese während des Fluges zu berücksichtigen. Die anschließende
Nachbesprechung profitierte von all diesen umzusetzenden Vorgaben.
Entsprechend der vorgefundenen Wettersituationen wurden die Flugstrecken so ausgeschrieben, dass die Distanzen ihre gefährdungsfreie Vollendung zuließen oder – bei Unwettergefahr – sich die
Streckenführung entlang von Flugplätzen orientierte. Natürlich gab es die eine oder andere Außenlandung, weil wir die Qualität unserer Interpretation der Wolkenbilder überschätzten. Die
Streckenaufgaben wurden größtenteils mit großzügig bemessenen Wendepunktzonen angelegt, so dass die Teams über genügenden, der Wettersituation angemessenen Gestaltungsspielraum verfügten.
Verhinderte die Wettersituation die Ausschreibung einer DMST-Aufgabe gänzlich, wurde dann auch frei geflogen – aber sehr wohl mit Vorgaben zum Sport, zur Psyche und zur Emotion. Ein Sport, so wie
er eben auch leben sollte.
Fazit und Ausblick
Der Lehrgang war erneut ein großartiges Breitensportereignis für alle Beteiligten. Nicht nur durften wir neue Erkenntnisse über unseren tollen Sport gewinnen – sie werden uns bei der persönlichen
Weiterentwicklung im Streckensegelflug unterstützen. Auch fand sich eine Gruppe ein, die in ihrer Zusammensetzung verschiedene Altersgruppen und Persönlichkeiten umfasste, eine bunte Mischung an
Hintergrund und Erfahrung aufbot und – das ist besonders wichtig – über die gesamte Lehrgangszeit prima harmonierte (vgl. Motto, oben).
Die herzliche Gastfreundschaft und uneingeschränkte Unterstützungsbereitschaft der Finsterwalder Fliegerkameraden verdient unsere Hochachtung und ein riesiges Dankeschön! Ganz besonderer Dank
gilt vor allem aber Ulf und seiner lieben Frau Juliane, die uns diesen Lehrgang mit unglaublich viel Engagement und Selbstlosigkeit ermöglicht haben. Ulf hat übrigens – auch der diesjährigen
Nachfrage Rechnung tragend – bereits die Fortsetzung seines Lehrgangsformates im nächsten Jahr angekündigt. Er versucht in 2017 zwei Lehrgänge anzubieten, von denen einer nach bisherigem Muster
auf die Optimierung des Teamflugs und die Stabilität psychischer Momente abzielt und der andere mehr auf den Wettbewerbssegelflug fokussiert sein wird. Eines ist gewiss: Es wird wieder gut
werden!
Jonathan Karges