Hier ein Bericht über den Lehrgang in Finsterwalde 2015:

 

Training im Streckensegelflug - Ein Lehrgang der besonderen Art

Wie gestalte ich ein Streckenflugseminar
Dr. Carsten Heinrich, Klaus Tiedemann

 

Theorie als Grundlage für die Praxis - auch nach dem Abendessen ging es noch weiter
Theorie als Grundlage für die Praxis - auch nach dem Abendessen ging es noch weiter

Bei der Fülle an Meisterschaften, Segelflug- und Streckenfluglagern und mit fast inflationärer Entwicklung und unterschiedlichstem Niveau ist es nicht einfach, gute Events zu finden.


Im Juni 2015 fand im südlichen Brandenburg – in Finsterwalde – ein Streckenflugseminar der besonderen Art statt. Zum 4. Mal traf man sich zu diesem von Ulf Bartkowiak, Trainer-B aus Niedersachsen, geplanten, organisierten und durchgeführten Event der Bundeswehr-Flugsportvereinigung. Nach zwei Seminaren in Bronkow fanden nun die letzten beiden in Finsterwalde statt.


Aber keine Angst, die Militärs sind harmlos, nett und in der Unterzahl. Die Gruppe der Piloten mit ausgeliehenen oder eigenen Segelflugzeugen war anfangs größer, die diesjährige Stärke von weniger als 10 Flugzeugen hat sich aber als sehr effektiv erwiesen. Sie kamen aus mehreren Bundesländern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.


Die Gruppe war wieder äußerst heterogen, schon bezüglich des Alters (von 20 bis 70 war alles dabei), sowie mit unterschiedlichsten Flugerfahrungen ausgestattet und, was auch wichtig ist, mit unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen. Aber diese Vielfalt bei den Vorstellungen musste man wegen des generationsübergreifenden Seminars auch erwarten.


Alle wollten an diesem Lehrgang teilnehmen, wobei das Wort Seminar besser unterstreicht, mit welcher Intensität hier trainiert wurde. Das Interessante an diesem Seminar ist u.a. das Coaching, was heute für uns immer mehr an Bedeutung gewinnt, da es im Segelflug kein flächendeckendes System gibt, und auch wenig weiterführende Literatur.


Was ist Coachen und was soll Coachen im Segelflug? Coaching ist im Gegensatz zum trainerdominierten Lehrgang die Anleitung des Teilnehmers, sein eigenes Training selber in die Hand zu nehmen. Damit ist also das eigene Training am Ende eines Seminars nicht beendet.


Das Coaching umfasst sportartspezifische Anweisungen des Coaches, die Motivation der Teilnehmer, die Steuerung der Emotionen und das Einfordern der Kommunikation der Teilnehmer untereinander. Unter Anleitung von Ulf war das Training von konkreten, täglich wechselnden Zielen geprägt, die uns halfen, unsere Leistungen zu verbessern.


Es können sich ja auch Leute finden, die gemeinsam ein Streckenfluglager veranstalten, die treffen sich, starten, fliegen und landen wieder, und abends diskutieren sie über Bundesliga-Ergebnisse - die mit dem runden Ball, meine ich.


Das war hier völlig anders:


Zuerst zur Theorie

Neben dem eigentlichen Flugsport – der Hauptsache natürlich – wurden insbesondere bei schlechteren Wetterverhältnissen vorbereitete Vorträge gehalten, diskutiert, verarbeitet, darüber gestritten und manches auch verworfen.


Das riecht nach Vorbereitung. Ja klar, das ist aber eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Lernen. Jeder hatte sich schon vor dem Lehrgang ein Thema ausgesucht, zu dem er sich referatsreif vorbereitet hat.


Die gut zusammenpassenden Themen - das kam nicht von ungefähr - reichten von klassischen Themen zum Streckensegelflug wie der Meteorologie, dem Zentrieren des Bartes oder der Vorfluggeschwindigkeit, über eine Auswertung eines Wettbewerbs zu Fehlern, die uns langsam machen, bis hin zu Fakten rund um die Flüssigkeitsaufnahme beim Fliegen und zu unserer leidenden Blase, als auch – und das ist im o.g. Teilnehmerkreis wohl neu – zum Hirntraining und Anwendungsmechanismen.


Dann zum Flugsport
Denn hören, drüber reden, diskutieren alleine reicht nicht, es muss auch gemeinsam erflogen werden, nur so werden sich gemeinsame Erfolge einstellen.

Diskutiertes in die Praxis umsetzen
Diskutiertes in die Praxis umsetzen

Los ging es täglich mit einem gut strukturierten Wetterbriefing, gestützt auf eine Kombination von Daten des DWD, Wetter Online, Wetterzentrale und, für mich neu, auf RASP-Vorhersagen. An Flugtagen ging es als Nächstes darum, die realisierbaren Ziele für den Tag zu  formulieren, wobei meist nicht die größtmögliche Strecke die gesuchte Aufgabe war. Des Weiteren ging es um Streckenführung und Aufgabengröße, natürlich in Abhängigkeit vom Wettergeschehen, und schließlich um die Teamzusammenstellung von zwei bis maximal drei Flugzeugen. Und das stellte sich als „Knackpunkt“ heraus.

Vorrangig ging es um die Erarbeitung eines eigenen Flugstils und die Prinzipien des Teamflugs, und nicht darum, in Ranglisten Höhe zu erklimmen. Nur so nebenbei: Es waren diesmal auch zwei Tage mit Strecken um 500 km bei völlig heterogenen Pilotenfähigkeiten dabei, und es hat Spaß gemacht.

Es ist gut, wenn man im Teamflug seinen eigenen Flugstil mit anderen vergleichen kann und auch muss, es ist gut, wenn man dabei Synergien erkennt, die alle voranbringen, wenn man erkennt, dass sich Fehler eingeschlichen haben.

 

Es kann besprochen, verglichen und korrigiert werden. Jeder ist gleichberechtigt, Teamfähigkeit wird verlangt, auch Kompromissbereitschaft ist von Nöten, ggf. muss ein Führungsanspruch zurückgestellt werden.

Teamflug in Perfektion
Teamflug in Perfektion

Alle wollen zum gleichen Ziel, und das geht auch gemeinsam – vielleicht sogar besser. Unser Motivationstrainer war gut in der Lage, flugtaktisches Verhalten zu präsentieren, und das Fliegen eines jeden Einzelnen in Anlehnung an Vorschläge von Kai Lindenberg zu optimieren:

    Oben Fliegen
             Viel geradeaus fliegen
                      Beste Bärte finden
                               Keine Absitzer haben

Das war gut und spannend, aber der Tag ging weiter…

 

Abendliche Nachbesprechung
Und nach dem Fliegen - ich hab es schon angedeutet - haben wir uns nicht einfach dem "Rest des Tages" hingegeben, sondern den Flugtag ausgewertet, vom Start über das Eintreffen oder Ausbleiben der vorhergesagten Luftmasseneigenschaften bis zur Bewertung der Effektivität unserer Kommunikation innerhalb der Teams. Letzteres ist eine der vielen Voraussetzungen für erfolgreiches Teamfliegen, und konnte ausreichend geübt werden.

Es konnte hier alles fast nur stichpunktartig skizziert werden. Und wir möchten uns ganz herzlich bei unserem „Coach“ und natürlich auch bei Juliane Bartkowiak und Steffi Lenz für die anderen Annehmlichkeiten rund um die Verpflegung und Unterstützung beim Start bedanken, und nicht zu vergessen bei der Flugsportvereinigung Otto Lilienthal Finsterwalde mit exzellenter Infrastruktur und F-Schlepp-Möglichkeit, um überhaupt in die Luft zu kommen. Wahrscheinlich habe ich auch einige vergessen, Detlef z.B., bitte verzeiht mir.

Carsten Heinrich

 

Hintergrund
(die Hintergründe klären zu einigen Punkten des Textes auf)