Impuls-Streckensegelfliegen 2017

Rolf Baumann

 

Das Startfeld
Das Startfeld

Auch für das Jahr 2017 hat Ulf Bartkowiak wieder im Rahmen seiner Initiative „Impuls Streckensegelfliegen“ Segelflu-genthusiasten nach Finsterwalde-Heinrichsruh eingeladen, in diesem Jahr sogar zu zwei Lehrgängen. Die Ausschreibung auf der Internet Homepage von „impuls-streckensegelfliegen.de“ war frühzeitig im Oktober 2016 online, sodass ich meine Planung für die Segelflugsaison 2017 früh beginnen konnte. Da auch die Urlaubsplanungen für das Folgejahr immer eher beginnen, ist die frühzeitige Terminbekanntgabe extrem hilfreich.

Ich habe mich Anfang November 2016 für beide Lehrgänge angemeldet. Es sollte für mich die vierte und fünfte Teilnahme an Ulfs Lehrgängen werden. Der erste Lehrgang in 2017 war auf den Schwerpunkt der Annäherung an ein wettbewerbsmäßiges Fliegen fokussiert, der zweite hatte seinen Schwerpunkt klassisch auf die Anwendung der Streckenflugtheorie im Bereich des Streckensegelfluges außerhalb von Wettbewerben gesetzt.

 

Finsterwalde-Heinrichsruh und der FSV Otto Lilienthal
Beide Lehrgänge fanden, wie auch schon in den Vorjahren, auf dem Flugplatz Finsterwalde-Heinrichsruh des FSV Otto Lilienthal statt. Hier bietet sich ein ideales Terrain für diese ambitionierten Lehrgänge. Die Mitglieder des dortigen Vereins haben in vielen Jahren ehrenamtlicher und sehr engagierter Arbeit ein segelfliegerisches Kleinod geschaffen, das seinesgleichen sucht. Ein großzügiges Gebäude mit Büro, Werkstatt sowie perfekt eingerichteter Küche und Clubraum machen das Wohlfühlen sehr leicht. Eine Halle für die Segelflugzeuge des Vereins mit einem angebauten Wohntrakt für Gäste mit acht Zimmern inklusive Sanitärraum ergänzt die Anlage. Der Wohntrakt hat den vereinsinternen Namen „Hilton“, und dieser Name ist aus meiner Sicht vollständig gerechtfertigt. Ich habe mich in einem dieser Zimmer während beider Lehrgänge sehr gut untergebracht gefühlt. In einer zweiten, großen und modernen Halle sind die Motorflugzeuge des Vereins untergebracht. Dort ist außerdem noch Platz für fünf aufgerüstete Segelflugzeuge von Gästen. Während beider Lehrgänge war dort mein Ventus2 gut hangariert. Es war für mich zur Konzentration auf den Lehrgang eine große Hilfe, nicht ständig auf- bzw. abzurüsten zu müssen. Allerdings können dort nicht alle Teilnehmer ihre Flugzeuge abstellen. Hier gilt entsprechend der Anmeldungsreihenfolge: „First come, first serve“. Die gesamte Anlage des Flugplatzes ist mit ihren Gebäuden und Einrichtungen in einem derart hervorragenden Zustand, dass man den Verein nur beglückwünschen kann. Dieser Zustand ist natürlich für Gäste auch eine Verpflichtung, mit den vertrauensvoll überlassenen Einrichtungen sehr sorgsam umzugehen. Da der Vorstand des FSV Otto Lilienthal
auch für 2018 grünes Licht für weitere Lehrgänge gegeben hat, bin ich zuversichtlich, dass auch im Jahre 2017 das Vertrauen des Vereins in Ulf und die Teilnehmer der Lehrgänge gerechtfertigt war.
Der Flugplatz Finsterwalde-Heinrichsruh liegt im thermisch hervorragenden Gebiet südlich von Berlin und ist Teil der berühmten Achse Lüneburger Heide-Fläming-Klix. Die Lage ist ein Garant für frühe, lange und gute Thermik – entsprechende Wetterlagen vorausgesetzt. Ich fliege gerne die Wettbewerbe in Klix und Riesa mit, und wann immer dort eine Streckenführung in die Nähe von Finsterwalde führt, probiere ich die Wolken um und über Finsterwalde aus, was schon oft mit Steigwerten bis oder sogar jenseits von 3 m/s belohnt wurde. Aber dies bitte nicht weitererzählen!

Die Lehrgänge
Bei den Veranstaltungen der Initiative „Impuls Streckensegelfliegen“ handelt es sich nicht um Fluglager. Es handelt sich um ehrgeizige, straff organisierte Lehrgänge, bei denen profundes Wissen und komplexe Fähigkeiten vermittelt werden, die dann in der praktischen Umsetzung geübt und verfeinert werden können. Das kann aber nur gelingen, wenn jeder Teilnehmer sich voll einbringt und den Lehrgangsleiter in seinem zielgerichteten Bemühen nach Kräften unterstützt. Der Initiator und Leiter, Ulf Bartkowiak, ist mit vollem Engagement bei der Sache, und erwartet zu Recht das gleiche Engagement von den Teilnehmern, damit die gesetzten Ziele eine Chance auf Erreichbarkeit bekommen. Der Tagesablauf kann mitunter anstrengend werden. Aber auch hier gilt der gute alte Spruch „ohne Fleiß kein Preis“.
Der Lehrgangstag beginnt mit einem exzellenten Frühstück um 8:00. Das Frühstück bereitet Juliane Bartkowiak für die Teilnehmer vor – mitunter mit Helfer, oft genug auch allein. Juliane kümmert sich mit viel Liebe, Geschick und sehr viel Zeitaufwand um das leibliche Wohl der Teilnehmer. Nach dem Frühstück beginnt das Briefing für den Flugtag mit der Präsentation des Tageswetters, welches Ulf mit Akribie schon vor dem Frühstück in Erfahrung gebracht hat. Die Wetteranalyse geht weit über das kurzweilige Anschauen von bunten Farben hinaus (kein Fehlfarbenwetterbericht!). Im Anschluss daran werden die Teams zusammengestellt und Streckenaufgaben festgelegt. Darüber hinaus werden für jedes Team Handlungsschwerpunkte definiert. Für den ersten Lehrgang wurden sie überwiegend aus dem Bereich der Wettbewerbspsychologie festgelegt. Im zweiten Lehrgang ergaben sie sich aus dem sportpädagogischen Areal und der Streckenflugtheorie.
Ab ca. 10:00 werden die Flugzeuge vorbereitet und an den Start gebracht. Nicht fliegbares Wetter wird für Theorie-Vorträge genutzt. Gestartet wird im F-Schlepp hinter der Wilga oder der Zlin des Vereins. Oft beschleunigt eine zweite Wilga aus Reinsdorf den Startablauf. Nach dem Fliegen gibt es das Abendessen gegen 19:00, vorher meistens die Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen nach der Landung. Beide Mahlzeiten hatten wir ebenfalls Juliane zu verdanken. Sie leistet für alle Teilnehmer eine „rundum sorglos Versorgung“ und ist von früh bis spät in einem bewundernswerten Einsatz. Danach folgt ein Debriefing mit der Besprechung der geflogenen Aufgaben und Teamziele. Oft genug endet der Tag erst gegen oder auch nach 21:00. Ich beschreibe den Tagesablauf hier so ausführlich, damit sich potentielle Teilnehmer darüber im Klaren sind, um was es geht: Ernsthaftes Bemühen in Theorie und Praxis, in der Teilnehmergruppe und auch im Flugteam, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern und seine Teamkollegen dabei zu unterstützen. Und das braucht einfach seine Zeit und lässt sich nicht eben mal ganz flink nebenbei abhandeln.

 

Das Motto „miteinander, gemeinsam, zusammen“ für den Teamflug
Das Motto könnte man bei oberflächlicher Betrachtung als drei austauschbare Adverbien betrachten. Meine Interpretation sieht ein wenig anders aus. Miteinander bedeutet, dass miteinander geflogen und auch mal gekämpft wird und dass man sich hilft, wenn nötig. Gemeinsam heißt, sich der Gemeinsamkeit unterzuordnen, um die Aufgabe gemeinsam zu erfüllen oder auch an ihr gemeinsam zu scheitern. Zusammen deutet an, dass man eben zusammen fliegen will, zusammenbleibt, und nicht „schon mal vorfliegt“, was immer das Ende eines Teamfluges ist. Alle drei Ziele sind sicher nicht einfach zu erreichen, es bedarf einiger Übung und auch des festen
Willens, um hier Fortschritte zu erzielen. Ich möchte hier als ein gelungenes Beispiel den Teamflug von drei Teilnehmern des ersten Lehrgangs 2017 anführen. Stefan Maikowski (FE), Olaf Schumacher (U2) und ich (MC) sind am 17. Mai von Finsterwalde aus ein 418 km FAI Dreieck geflogen. Die gegenseitige Unterstützung war einfach grandios, und ohne diese hätte wohl keiner von uns dreien die Aufgabe vollenden können. Die Flüge waren keinesfalls problemlos, es gab schlechte Bedingungen bei Görlitz (1. Wende), welche gemeinsam gemeistert wurden. Die sterbende Thermik am Abend gegen Ende des Dreiecks machte den letzten Teil des Fluges schwierig. Aber alle drei Flüge endeten wie angemeldet in Finsterwalde mit einem knappen Endanflug aus dem letzten Bart des Tages in 1600 m über Oehna bei 20 km/h Gegenwind aus 52 km Entfernung. 10 km mehr deklariert, und die Aufgabe hätte wohl kaum vollendet werden können. Die Synergien eines Teamfluges können phantastisch sein, wenn man es gemäß obigem Motto angeht und auch konsequent verfolgt. Eben diese Botschaft versucht Ulf immer wieder in wechselnden Ansätzen zu vermitteln.

Die Theorie
Ulf Bartkowiak ist Segelflug-Trainer B und darüber hinaus ein in der BRD anerkannter Experte für die Nutzung von Erkenntnissen der neuesten neurobiologischen Forschung für die Belange des Segelfluges, besonders des Streckensegelfluges. Ulf hat schon zahlreiche Vorträge zu dem Thema gehalten und bietet diese auch auf seinen Impuls Streckenfluglehrgängen an. Weiter ist jeder Teilnehmer gehalten, sich mit einem eigenen Thema an der theoretischen Weiterbildung zu beteiligen. Dies geschieht in Absprache mit dem Leiter in Form von ca. 20-minütigen Vorträgen. Sie beinhalten Sachthemen wie beispielsweise „Assigned Area Task“, „Die Emotionsskala“ oder auch mal Informationen zu „Grünen Smoothies“. Letzterem Vortrag aus 2016 von Jochen Mieder, der Beherzigung seiner Informationen über grüne Mixturen und deren gesunde und sättigende Wirkung sowie ein wenig Disziplin verdanke ich dem Umstand, dass ich heute im Juni 2017 deutlich leichter (rund 5 Kg) aus meinem Ventus2 aussteigen kann als noch vor dem Vortrag im Mai 2016.

Die Flugsicherheit
Ein besonders wichtiger Punkt des täglichen Briefings ist der sogenannte „safety talk“. In kurzen Statements von maximal 2 Minuten werden konkrete Problemsituationen geschildert. Ein Beispiel: Im F-Schlepp will ich den Schlepppiloten bitten, schneller zu fliegen, aber er hört mich nicht. Was ist passiert? Zwar konnte ich den Funkverkehr des Startbetriebes hören, aber nur dank des Mithörens der Start/ Platzfrequenz via Dual Watch. Das hatte ich nicht bemerkt. Aktive Frequenz in meinem Funkgerät zum Senden UND Empfangen war noch eine andere Frequenz vom Vortag, aber nicht die erforderliche Platzfrequenz für den Startbetrieb. So hat jeder von uns schon Missgeschicke erlebt – Gott sei Dank nur singuläre und nicht in Kombination mit weiteren, was leicht zu schlimmen Unfällen hätte führen können. Hierfür das Bewusstsein zu schärfen ist das Ziel des „Safety Talk“.

LBA am Flugplatz EDAS
LBA am Flugplatz EDAS

Zwei Besuche in Finsterwalde
Thomas Fischer, Präsident des LLVBB, war zur Eröffnung des zweiten Lehrganges extra angereist, um die Teilnehmer zu begrüßen und ihnen viel Erfolg zu wünschen. Er sei sehr stolz, daß die Impuls-Streckenfluglehrgänge in seinem Landesverband beheimatet seien, denn mittlerweile erfahren sie weit über die Grenzen seines Landesverbandes hinaus eine beste Resonanz.

Ein weiterer überraschender Besuch erfolgte während des ersten Lehrganges an einem Tag kurz vor den Starts der Flugzeuge, den Ulf Bartkowiak in seinem Resümee nach Ende des Lehrgangs so beschreibt: Wörtliches Zitat Ulf Bartkowiak: „Am Montag, dem 15.05.17, erschienen vier in gelben Signalwesten gekleidete Herren auf dem Flugplatz. Sie wiesen sich als LBA-Inspektoren aus und kamen zwecks „Überwachung der Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit“. Der kurz bevorstehende Start unserer Streckenflugflotte wurde gestoppt. Es kam im Rahmen des „Ramp Surveys“ zur Überprüfung von technischen Details und unserer Dokumente. Neun Lima (ASW 28-18) und Bravo Romeo (Duo Discus) stellten sich freiwillig diesen Anforderungen. Fazit: Keine Beanstandungen. Der verantwortlichen LBA-Inspektor agierte erst mit dienstlicher Beflissenheit, zeigte sich anschließend sehr höflich, abschließend hatte er sogar ein freundschaftliches Lob bereit für die absolut korrekte Einhaltung überprüfter Regularien, zumal die gesamte Überprüfung in einem feinen menschlichen Umgang ablief. Ich bin sicher, dass wir auch hier ein kleines, aber geschätztes Signal zu Gunsten eines besseren, gegenseitigen Verständnisses solcher Aktionen zwischen Segelflugsport und Bundesbehörde gesetzt haben könnten“.

Text...

Teilnehmer und Helfer
Teilnehmer und Helfer

Zum Schluss noch ein paar Zahlen
Im ersten Lehrgang flogen an sieben Tagen 12 Segelflug-zeuge ca. 240 Flugstunden und ca. 20.000 km Strecke. Im zweiten Lehrgang gelang es, mit 9 Segelflugzeugen rund 180 Stunden und knapp 13.000 km Strecke zu fliegen.

Herzlichen Dank an Juliane und Ulf Bartkowiak für die tollen, harmonischen Lehrgänge und die schöne Zeit in Finsterwalde, diese Worte sicher auch im Namen aller Teilnehmer beider Lehrgänge.

Ich bedanke mich auch ganz herzlich bei den Helfern beider Lehrgänge.

Auf ein Neues in 2018!